El Gaucho Wien | Getrübte Fleischeslust

El Gaucho Wien

Es gibt wohl nichts besseres zu Essen als ein richtig gutes Steak – PUNKT. Da kommt weder Omas Schweinsbraten noch die extravaganteste Kreation aus der Sterneküche ran. Ein gutes Stück Rind, medium oder medium-rare gebraten, ein bisschen Salz und Pfeffer – mehr braucht es da nicht. So simpel, so gut. Und ganz ehrlich: man muss kein Meisterkoch sein um ein gutes Steak zu zaubern, vorausgesetzt die Fleischqualität stimmt natürlich.

Dennoch sind wirklich tolle Steakrestaurants sehr rar gesät. Nur wenige Steakhäuser schaffen das Kunststück, gleichbleibende Fleischqualität, professionelle Grillfertigkeit, schönes Ambiente und gutes Service unter einem Hut zu bringen. Sehr gut gelingt das angeblich den Leuten von El Gaucho, die nun neben dem Grazer Stammhaus und einem Restaurant in Baden auch einen Standort in Wien eröffnet haben. Wir haben das neue Steakhaus im zweiten Wiener Gemeindebezirk kurz nach der Eröffnung besucht. Unserer Erwartungen waren freilich sehr hoch. Ob der gute Ruf des El Gaucho hält was er verspricht?

Im Erdgeschoß des Wiener Design Tower regiert dank Stilwerk, Siematic und Co eine auf Hochglanz polierte Einkaufszentrum-Romantik. Gemütlichkeit will hier nicht wirklich aufkommen. Und so nutzt es dem neuen El Gaucho nur wenig, dass man sich echt bemüht hat, mittels viel Holz und vollgekritzelter Schieferplatten, ein gastfreundliches Ambiente zu schaffen. Das Restaurant bleibt eng und klein, man sitzt sehr gedrängt und man kann den zweifelhaften Charme einer Systemgastronomie á la McDonalds, Vapiano oder Maredo nicht verleugnen. Spätestens wenn man auf den Weg zur Toilette einen Möbelschauraum durchqueren muss, um mittels Aufzug ins zweite Untergeschoss zu gelangen, ist jedes Flair dahin.

Aber zum wirklich wichtigen – dem Essen: Denn die Speisekarte liest sich wirklich sehr ordentlich. Neben interessanten Vorspeisen (Beef Tatar, Oktopus) und Suppen (Topinambur, Ochsenschwanz) werden Dry Aged Steaks aus Österreich und natürlich Fleischbrocken aus Argentinien angeboten. Dazu gibt es eine Vielzahl an Beilagen (Steak Frites, Grillgemüse, Risotto) und Saucen (BBQ, Bernaise, Pfeffer). Zusätzlich gibt es ein paar Specials – ganz selbtbewusst spricht man hier von den “wahrscheinlich besten Hummernudeln der Stadt“. Da wir noch nie Hummernudeln gegessen haben (und schon gar nicht in Wien!) konzentrieren wir uns freilich aufs Fleisch und ordern neben zwei Vorspeisen auch zwei verschiedene Steaks mit Beilagen und Saucen:

Beef Tatar "Surf & Turf"

Ins Beef Tatar “Surf & Turf” mit knuspriger Crab Cake haben wir besonders hohe Erwartungen gesetzt, wurde dieses doch auf RestaurantTester.at von einigen Testern besonders gelobt. Leider entspricht das Tatar gar nicht unserem Geschmack. Konsistenz und Textur sind zwar ok, allerdings zerstören viel Ketchup und Senf den feinen Fleischgeschmack des edlen Rinderfilet-Hacks. Das Krabbenküchlein on top ist hingegen absolut in Ordnung.

Oktopuss & Blutwurst

Die fischige Vorspeise macht uns da schon viel mehr Freude: Bei Oktopus & Blutwurst kommt der Oktopus einmal dünn und vor allem sehr mürbe und fein mariniert, und einmal gebraten mit vielen Röstaromen auf den Teller. Die Blutwurst als Kontrast wäre eine schöne Idee gewesen, deren Geschmack geht aber verpackt in den gebackenen Teigtaschen unter. Wir zweifeln schön langsam an der Kernkompetenz “Fleisch” des El Gauchos – ob wir doch die Hummernudeln hätten bestellen soll?

Bife de Lomo - Filetsteak

Jetzt gibt es freilich kein zurück mehr – schließlich sind wir ja auch wegen der Fleischtrümmer gekommen. Und dann endlich, die erhoffte Offenbarung: Das Bife de Lomo – das Filetsteak vom Gaucho Beef - ist von perfekter Fleischqualität und ebenso gebraten: außen leicht knusprig, versehen mit schönen Röstaromen, innen medium-rare, weich, saftig und zart. Das Filet hat einen tollen Biss und lässt uns an den ersten Satz dieses Blogposts denken. Die Idee “Pimp your Steak” klingt zwar witzig – in Wirklichkeit kann man sich aber die “Spompanadeln” wie eine gebratene Gänseleber sparen. Mit den hausgemachten Steak Frites als Beilage kann man hingegen nichts falsch machen.

Filetsteak mit Grillgemüse

Bei den anderen Beilage offenbaren sich aber die Schwächen des El Gaucho Küchenteams, wenn es nicht um das Grillen von Fleisch geht. Das Grillgemüse mit Olivenöl und Kräuter ist lieblos und geschmacksneutral zubereitet, beim Schwammerl-Jungzwiebel-Risotto wurde gleich vollständig auf Salz und Pfeffer verzichtet. Der Geräucherter BBQ Dip ist ok, die Pfeffersauce scheint zwar selbstgemacht zu sein, fällt aber in die Kategorie Themenverfehlung (wo ist der Pfeffer?).

Club Steak Dry Aged Beef

Natürlich mussten wir auch Österreichisches Dry Aged Beef probieren. Unsere erste Wahl – das Rib Eye Steak – ist um 18:30 Uhr leider schon aus. Also ordern wir ein 400 g Club Steak, das genau so schmeckt wie es sollte. Im Vergleich zum Filetsteak ist das trockengereifte Club Steak zwar nicht so fleischig und saftig, dafür aber ungemein mürbe und leicht nussig im Geschmack. Die dazu bestelle Soft Shell Crab löst bei uns keine Begeisterungsstürme aus, um ein paar Euro mehr bekommt man im Mochi ums Eck eine unvergleichlich größere und bessere Krabbe.

Und das Dessert? Tja, das ist leider eine eigene Geschichte: Wir hätten uns auf der Dessertkarte schon was gefunden, wie z.B. eine Espresso Crème Brûlée oder verschiedene Sorbets (abgesehen davon dass man Tini mal erklären müsste, warum die Kombi Espresso & Grappa Nonino ”only for boys” sein sollte). Allerdings hat man uns im El Gaucho ohne Vorwarnung nach 1 Stunde und 20 Minuten mitgeteilt, dass wir in 25 Minuten den Tisch räumen müssten (nach einer Gesamtzeit von nur 1 Stunde und 45 Minuten statt den bei der Tischreservierung genannten 2 Stunden und 30 Minuten!). Deshalb wollten wir uns mit der Nachspeise nicht stressen und haben gleich die Rechnung verlangt. Nach unserer Reklamation hat man wenigsten beim Online-Formular die Tischreservierungszeit auf, die bei El Gaucho angeblich üblichen, 2 Stunden reduziert.

Nicht zuletzt aufgrund dieses groben Schnitzers im Service tun wir uns sehr schwer das El Gaucho wirklich weiter zu empfehlen. Klar, wer auf der Suche nach einem ordentlichen Steak ist (und dabei wenig Wert auf Ambiente, Beilagen und Service legt) wird im El Gaucho im Design Tower fündig werden. Anspruchsvollere Gäste, denen ein gutes Steak nicht genug ist, sind vielleicht in anderen Steak-Tempeln der Stadt – wie dem Flatschers oder dem Gergely’s im Schlossquadrat – besser aufgehoben. Seiner Fleischeslust kann man zwar im El Gaucho Wien frönen, aber leider (noch) nicht mehr.

El Gaucho WienWenig Empfehlenswert Preis-Leistung: ok

El Gaucho Wien
Praterstraße 1, 1020 Wien
www.elgaucho.at/wien

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3 Gedanken zu “El Gaucho Wien | Getrübte Fleischeslust

    • Danke Roman für Dein Lob ;-)

      Ja, leider waren unsere Erwartungen recht hoch weil wir so viel positives – vor allem aus Baden – gehört haben. Naja, eventuell wirds noch besser…

      LG, Tini & Thomas

  1. Guter Artikel, was ich überhaupt nicht nachvollziehen kann ich die Reservierungsdauer. Ich meine, wenn ich Essen gehen will…will ich doch nicht wie in der Frittenbude schnell schnell futtern…viel Geld zahlen und dann den Platz frei machen müssen…absurd oder?

    LG Dirk

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